Wussten Sie, dass wir Menschen mehr als 90 Prozent dessen, was wir tun, unbewusst tun? Sicherlich fallen Ihnen auch Situationen ein, in denen Sie froh gewesen wären, wenn Sie bewusster reagiert hätten. In der Führungsarbeit sollten sich Führungskräfte häufiger die Frage stellen „was ist mein Anteil daran, dass die Situation gerade so ist wie sie ist?“ Das beginnt beim Delegieren, geht weiter in der Art der Kommunikation und reicht bis hin zum eigenen Führungsverhalten. Denn häufig lässt das Feedback der Mitarbeitenden erkennen, dass irgendetwas nicht stimmt.
Wenn Sie als Führungskraft in der Lage sind, in einer Situation Ihr eigenes Verhaltens zu reflektieren, dann werden Sie sukzessive lernen, was Sie besser machen können. Somit entwickeln Sie eine starke Kompetenz, die dazu führt, dass Sie eine Situation unterschiedlich wahrnehmen und bewerten können, dass Sie in ähnlichen Situationen bewusst unterschiedlich agieren können und dass Sie Ihr eigenes Verhalten analysieren und schnell verändern können. Selbstreflektion ist eine Art von Bewusstheit, die Sie erfolgreicher macht und entspannter arbeiten lässt. In unserem Gastgewerbe, in dem der Kontakt zu Menschen im Mittelpunkt steht, ist diese Kompetenz sehr wichtig.
Kritisch die eigenen Verhaltensweisen und Muster überdenken
Unsere Verhaltensweisen kopieren wir von Kindesbeinen an. Wenn wir merken „hey, das klappt ja prima“, dann übernehmen wir dieses Verhalten und machen daraus ein Muster. So entstehen Denkmuster, Verhaltensmuster und die so genannten Glaubenssätze (z.B. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold) Diese Muster unterstützen uns im Alltag und geben uns Sicherheit. Auf der anderen Seite sind sie in manchen Situationen aber auch absolut unbrauchbar. Doch leider können wir unser Verhalten dann nicht so leicht verändern. Was passiert? Wir ärgern uns, aber wir wissen nicht wirklich warum, und das macht uns unzufrieden. Was wir jetzt brauchen, ist eine Überprüfung unseres Verhaltens. Nur wie geht das, wenn ein Großteil unseres Verhaltens unbewusst abläuft?
Wir haben die Möglichkeit, unser Verhalten selbst zu reflektieren. Das ist notwendig, denn ein Verhalten lässt sich nur dann ändern, wenn es uns bewusst ist. Also müssen wir es aus dem Unbewussten herausholen. Das gelingt, indem wir uns die Situation, über die wir uns geärgert haben, noch einmal sehr präzise vor Augen führen. Ebenso ist es wichtig, dass wir dabei unsere Gefühle beschreiben können und nachdenken, wie diese möglicherweise entstehen. Dabei ist ein Coach an der Seite sehr hilfreich, da dieser die Situation mit dem nötigen Abstand betrachten kann.
Praktisches Beispiel zur Überwindung von Verhaltensmustern
Für das bessere Verständnis verdeutliche ich Ihnen Verhaltensmuster durch ein praktisches Beispiel. Eine Führungskraft kommt neu in ein Unternehmen und lernt ihre Mitarbeitenden kennen. Bei einem der Mitarbeitenden entsteht sofort ein unangenehmes Gefühl, so dass sich die Haare im Nacken aufstellen, obwohl der Mitarbeitende freundlich gegrüßt hat. Die Führungskraft gibt der Situation wenig Bedeutung, stellt aber im Laufe der Zeit fest, dass diese Reaktion immer wieder auftaucht und sie zunehmend verunsichert. Das ärgert sie und nun beginnt sie, die verschiedenen Situationen zu reflektieren. Dabei stellt sie zuallererst fest, dass die Reaktion grundsätzlich nichts mit dem Verhalten des Mitarbeitenden zu tun hat. Also stellt sie eine intelligente Frage an sich selbst: „Was ist mein Anteil daran, dass die Situation immer wieder so ist?“ Nach langer Überlegung stellt sie fest, dass dieser Mitarbeitende sie an einen Freund in der Jugend erinnert, der ihr einmal übel mitgespielt hat. All diese Erlebnisse überträgt sie auf diese Mitarbeitenden. Nun schreitet sie zur Tat und verändert ihr Verhalten bewusst. Sie geht auf den Mitarbeitenden zu, obwohl es für sie immer noch unangenehm ist und lädt ihn zu einem persönlichen Gespräch ein, um ihn besser kennenzulernen. Und je länger sie miteinander reden, umso schwächer ist das Gefühl bis es ganz verschwindet. Die Führungskraft hat es geschafft, aus ihrem Muster herauszukommen. Sie hat gelernt, dass ihr Gefühl nicht zu diesem Menschen gehört. Und noch wichtiger, sie hat eine neue Handlungsoption gewonnen, Sinn und Zweck von Selbstreflektion. Beim nächsten Mal wird sie sofort auf den Menschen zugehen und für sich die Situation klären.