Ich beobachte seit Wochen die Medieninformationen über die Auswirkungen der Krise auf unsere Branche. In Phase eins standen Fragen zur Liquidität, die Stundung von Pachten, Mieten und Tilgungen sowie Reduzierung der Kosten im Fokus. Neben Förderungsmaßnahmen und Zuschüssen kam letzte Woche die 7% MwSt. Regelung für Speisen ab dem 01. Juli 2020 hinzu. Die Phase zwei startet mit der Diskussion zum Restart der Branche. Parallel werden schon Label entwickelt, die eine Covid-19 Zertifizierung für Hotels und Gastronomie anstreben. Ich habe die letzten Wochen intensiv genutzt mit meinen Kunden zu kommunizieren. Meine Kunden sind Unternehmer und Führungskräfte des Gastgewerbes und meine Fragen bezogen sich nicht auf Lösungen für Phase eins oder zwei. Sie lauteten wie folgt:
Was passiert mit Ihnen als Mensch und Unternehmer? Was hinterlässt diese Herausforderung in Ihrer Psyche? Was macht der tägliche Frust, dass Ihr Betrieb geschlossen ist, mit Ihnen? Wie sehr belastet es Sie, dass Ihre Mitarbeitenden mit Kurzarbeitergeld leben müssen und Sie nichts daran ändern können? Welche Ängste entwickeln Sie, wenn die Reserven sichtbar schmelzen? Welche Wut kommt hoch, wenn jetzt Investoren Interesse an Ihrem Unternehmen zeigen? Was bewirkt die Krise bei Ihnen persönlich, die die Stärken und Schwächen Ihres Unternehmens brutal offenlegt?
Darüber redet „man“ nicht!? Führungskräfte und Unternehmer dürfen in einer Krise keine Schwäche zeigen, persönlich betrachtet. Doch, darüber muss „man“ reden, denn nur wenige gehen souverän mit dieser Herausforderung um. Neben diesen erlebe ich Menschen, die überfordert sind oder sich vollkommen allein gelassen fühlen. Die äußere Beeinflussung und nicht durch den Unternehmer verschuldete Situation führt zu einem Schockzustand. Manch einer ist paralysiert und kann sich erst einmal nicht aus dieser Lage befreien. Diese Lageorientierung produziert Gedankenabläufe, die immer wieder um den emotionalen Zustand und die momentane Situation herumkreisen – Ausgang vorübergehend geschlossen. Das heißt keine Kraft Lösungen zu entwickeln, kein Vorankommen, das gefährdet Unternehmer und Unternehmen. Andere entwickeln eine Art Hyperaktivität und verlieren dabei den Überblick verbunden mit der Gefahr, das Wesentliche zu übersehen. Beide Verhaltensweisen sind typisch in Krisen und absolut verständlich. Denn Krise ist kein Tagesgeschäft. Jeder macht was, weil jeder betroffen ist. Noch etwas Gefährliches kommt hinzu – der Glaube, nach der Krise geht es so weiter wie bisher, es dauert nur ein wenig. Ebenso verständlich, denn was ich kenne gibt mir Sicherheit und die will kein Mensch in dieser Situation auch noch verlieren. Es droht Veränderung, womit auch ein Unternehmer erst einmal zögerlich umgeht. Warum soll alles das, was wir seit Generationen aufgebaut haben, was jahrelang super geklappt hat jetzt nicht mehr gehen? Das kann doch gar nicht sein?
Doch es kann und auch darüber sollten Sie, als Unternehmer und Führungskräfte, reden. Es geht nicht darum sofort Lösungen für die Zukunft zu entwickeln. Zuerst einmal geht es darum, dass Sie sich und Ihr Verhalten beobachten. Es geht um Selbsterkenntnis. Sie sind mit Ihren Unternehmen emotional und physisch
verbunden. Dass, was Sie belastet, das belastet auch Ihr Unternehmen. Zeigen Sie Verletzlichkeit, Sie können nicht und Sie müssen nicht immer stark und kämpferisch sein. Akzeptieren Sie Ihre Ängste und Befürchtungen, Ihren Ärger, Ihre Trauer und Frust über die Situation. Machen Sie sich diese bewusst indem Sie darüber reden, nur dann gelingt der Ausbruch aus der Krisendenke. Suchen Sie sich jemanden, mit dem Sie reden können, dann öffnen sich wieder Herz und Kopf für Neues. So hat die Leidenschaft, die Sie mit Ihrem Unternehmertum verbindet, eine Chance das richtige zu initiieren. Und das ist in der momentanen Situation entscheidend. Schaffen Sie Klarheit in Ihrem Kopf, weil Sie akzeptieren, dass Sie ein Mensch sind und keine Unternehmer- oder Führungskräftemaschine. Dazu noch ein paar kleine Anregungen:
- Nachdem Sie Ihre Liquidität gesichert haben, überlegen Sie genau, welche notwendigen Entscheidungen Sie noch treffen müssen
- Integrieren Sie Ihre persönlichen Krisen-Learnings in Ihr zukünftiges Verhalten. Eigenes Verhalten ist beeinflussbar, das der Virologen und Politiker nicht
- Akzeptieren Sie die neue Normalität (Hygiene, Abstand, wiederkehrende Lock Downs) und integrieren Sie diese in Ihre Zukunftskonzepte
- Entwickeln Sie neue Szenarien und Konzepte und lernen Sie, dass Ihr Unternehmen verletzlich ist, wie die Krise belegt
- Handeln Sie mit klarem Kopf und Leidenschaft, dadurch entsteht Selbst-Empowerment
- Denken Sie alles neu, Ihre Chancen, Ihre Geschäftspartner, Ihre Lieferanten, Ihre Verhandlungstaktik
- Treffen Sie jetzt schwierige Entscheidungen, indem Sie den Blick auf das Wesentliche lenken und ausmisten – und achten Sie darauf, dass Sie nicht zu viel reduzieren und nicht alle Türen schließen
- Erhöhen Sie Ihre Produktivität, denn Ihr Unternehmen wird mit weniger Umsatz leben
- Beobachten Sie das Hier und Jetzt sehr genau, seien Sie sehr präsent und erkennen Sie das Potenzial der momentanen Situation. Eine vorhandene Vision wird Sie jetzt gut leiten und Ihnen und Ihrem Team hilfreich sein
- Pflegen Sie Ihr Team, stehen Sie zusammen, fördern Sie Kooperation und Integration, verdichten Sie die interne Situation. Wer mit Ihnen überlebt, der überlegt auch, wie er mit Ihnen die Zukunft gestaltet
- Nutzen Sie die kollektive Intelligenz Ihres Team und Ihrer Kunden sowie Stakeholder
- Verbreiten Sie auch in der Verzweiflung gute Stimmung. Nicht schön reden, sondern klar benennen und positiv in die Zukunft schauen
- Und ab und zu steigen Sie aus diesem Rad aus und auf Ihr Rad und genießen Freiheit, Sonne und die gute Luft
Viel Erfolg, bleiben Sie gesund und vor allen Dingen zuversichtlich!